Die diesjährige 60. Viennale feiert ihren offiziellen Abschluss heute Montag, am Vorabend des letzten Festivaltages, mit der Galavorführung des Films UN BEAU MATIN von Mia Hansen-Løve in Anwesenheit von Hauptdarsteller Pascal Greggory ging die 60. Viennale zu Ende.
Eine Festivalausgabe der Jubiläen geht zu Ende. Die 60. Viennale und der 80. Geburtstag von Werner Herzog waren zwei Anlässe, besondere, neue Erinnerungen zu schaffen, wie sie nur im Rahmen eines Filmfestivals entstehen können, im gemeinsamen Erleben und im direkten, zwischenmenschlichen Austausch.
Die Bilanz der Viennale 2022
Das Festival freut sich über einen großartigen Erfolg bei der Jubiläumsausgabe: 73.700 Menschen besuchten dieses Jahr Veranstaltungen der Viennale, was einer Auslastung von 71% entspricht. „Diese 60. Ausgabe war eine Feier des Kinos und des Zusammenseins“, freut sich Eva Sangiorgi über ihre fünfte Viennale als Direktorin des Festivals. „Wir alle haben es gespürt, in der Energie der vollen Kinosäle, in den eindringlichen Gesprächen zwischen Autor:innen und Publikum, in den Äußerungen all jener Menschen, mit denen wir durch die Filme so viele Erfahrungen geteilt haben. Wir sind mit großen Erwartungen an den Start gegangen – und sie wurden definitiv übertroffen! Die Viennale hat gezeigt, dass sie ein besonderer Treffpunkt für alle ist, die das Kino lieben, seien es Fachleute oder Zuschauer:innen, und sie hat ihren guten Ruf unter den nationalen wie auch den internationalen Filmveranstaltungen gefestigt. Viele Besucher:innen haben bereits versprochen, nächstes Jahr im Oktober wieder in Wien zu sein.“
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Viennale Preisträger:innen
Bei der Abschlussgala der Viennale wurden traditionellerweise auch Preise im Gartenbaukino verliehen. Mehrere Jurys haben 13 Tage lang das Programm des Festivals gesichtet, um die Gewinnerinnen und Gewinner auszuwählen.
Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Jahr zur Aufführung gelangte. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, sowie aus monetären Zuwendungen von ARRI Rental und Hotel The Harmonie Vienna. Weiters bereichert THE GRAND POST den Wiener Filmpreis mit großzügigen Sachwerten. Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury. Jede der beiden Auszeichnungen ist mit Geldspenden und Sachwerten dotiert.
Jury: Gerald Bast (Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien), Ingrid Brodnig (Autorin und Journalistin) und Edita Malovčić (Schauspielerin und Sängerin).
Bester österreichischer Film:
SONNE, Kurdwin Ayub, Österreich 2022
Jurybegründung: Sonne ist ein Film, der vermeintlich leise daherkommt, aber dann ein lautes Echo hinterlässt. Die Geschichte von drei jungen Frauen, die über Social Media ein bisschen Berühmtheit erlangen, zeigt, wie divers unsere Gesellschaft ist – Regisseurin Kurdwin Ayub gelingt es dabei gekonnt, mit dem einen oder anderen Klischee zu brechen. Mit simplen, aber wohlüberlegten Mitteln wird viel Geschichte erzählt, innerfamiliäre aber auch gesellschaftliche Strukturen und Konflikte behandelt. Dabei ist die schauspielerische Leistung der Protagonist*innen bemerkenswert. So entsteht ein sehenswerter, unterhaltsamer, aber eben auch vielschichtiger und gesellschaftspolitisch relevanter Film, dem man nicht anmerken würde, dass es sich genau genommen um ein Erstlingswerk handelt.
SPEZIALPREIS DER JURY:
RUBIKON, Leni Lauritsch, Österreich 2022
Österreichischer Film darf sich auch etwas trauen. Regisseurin Leni Lauritsch traut sich, groß zu denken. In Ihrem Film RUBIKON wendet sie sich dem Ende der Welt zu – und führt uns in einer technisch höchst professionell umgesetzten Erzählung ins Weltall. Bemerkenswert ist, wie viele erzählerische Ebenen und philosophische Fragestellungen in diesem Film miteinander verwoben werden. Damit ist ihr ein Beitrag gelungen, der aktuelle Themen unserer Zeit aufgreift und das Genre der Science Fiction nutzt, um ethische Grundsatzfragen zu verhandeln.
Der Preis der Standard-Leser:innen-Jury geht an einen Film, der noch keinen Verleih in Österreich hat und dem ein Kinostart in Österreich besonders empfohlen wird. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Tageszeitung „Der Standard“ verbunden.
Jury: Patrick Cassidy, Florian Schwarz, Daniela Univazo
Der VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER:INNEN-JURY geht an:
PAMFIR, Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk, Ukraine/ Frankreich/ Polen/ Chile/ Luxemburg/ Deutschland 2022
Jurybegründung: Wie ein Paukenschlag fuhr uns dieser Film in die Knochen, und wir verließen die Vorführung ganz benommen und voller Aufregung über das, was wir gerade gesehen hatten. Wir waren berührt von der Wärme der Figuren, die versuchen, in einer korrupten Gesellschaft zu überleben, die sie im Dienste der Mächtigen an die Kette legen will. Die Hoffnung, die PAMFIR durch seine eindrucksvollen Bilder vermittelt, wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Dieser Film ist nicht nur ein Zeugnis für das Talent des Erstlingsregisseurs und des Hauptdarstellers, sondern auch eine Zeitkapsel für ein Land und eine Gemeinschaft, die sich in einem massiven Umbruch befinden. Es ist uns eine absolute Freude und Ehre, den Preis der STANDARD-Leser:innen-Jury an PAMFIR zu verleihen.
Zur Auswahl steht eine Reihe von Erst- und Zweitfilmen von Regisseur:innen.
Jury: Susanne Gottlieb, Johannes Hagman, Kira Taszman
FIPRESCI, der Internationale Verband der Filmkritiker: innen, wurde 1930 gegründet. Der Verband hat sich der Pflege journalistischer Ethik verschrieben und vertritt die professionellen Interessen seiner Mitglieder. Die Mitglieder der FIPRESCI kommen aus aller Welt und finden sich in kleinen Jurys auf zahlreichen Filmfestivals ein, um den Preis des Internationalen Filmkritikerverbandes zu vergeben. Meist wählen sie dabei – wie bei der Viennale – aus einer Reihe von Erstlingswerken junger Filmemacher:innen.
Der FIPRESCI-Preis geht an:
Cyril Schäublin, UNRUEH, Schweiz 2022
Jurybegründung: Zeit ist essenziell für die Figuren in dieser facettenreichen Geschichte, aber sie vergeht unterschiedlich schnell und hängt von den Interessen der verschiedenen Fraktionen ab. Die Zeit der Unruhe, des gesellschaftlichen Umbruchs, spiegelt sich in dem geschickt gewählten Titel wider, der in sich ein Widerspruch ist. Er suggeriert zwar die Unruhe in der Gesellschaft, aber erzählt dies auf sehr unaufgeregte Weise und verzichtet auf offensichtliche Konflikte. Für die Schilderung einer originellen internationalen Atmosphäre an einem kleinen Ort, für die Hinterfragung unseres Geschichtsverständnisses und dafür, dass er die Uhrmacherei durch ein Prisma der Historie sieht, geht der FIPRESCI-Preis an UNRUEH.
Zum 12. Mal wird heuer der von der Erste Bank initiierte und gestiftete
MehrWERT-Filmpreis in Zusammenarbeit mit der Viennale, dem Deutschen Haus at NYU und dem Anthology Film Archives vergeben. Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis wird unter den österreichischen Filmproduktionen, die im Programm der Viennale laufen, über eine unabhängige Jury vergeben.
Jury: Silvia Bohrn, Kulturmanagerin; Boris Manner, Philosoph, Kurator; Jed Rapfogel, Filmprogrammer Anthology Film Archives
Jurybegründung
Die Jury des Erste Bank MehrWERT-Filmpreises hat beschlossen, den Preis zwei Kurzfilmen zu widmen, die zwei der wichtigsten und grundlegendsten Bereiche menschlicher Erfahrung zum Thema haben: Sex und Tod.
Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis geht an Eve Heller für SINGING IN OBLIVION
Eve Hellers Kurzfilm SINGING IN OBLIVION verwendet eine Vielzahl von Techniken – Beobachtungsfotografie, gefundene Bilder, Fotogramme und ein reichhaltiges Sounddesign, um eine Meditation über Tod, Erinnerung und Vergänglichkeit zu beschwören. Im Mittelpunkt steht der Jüdische Friedhof in Wien Währing, der von den Nazis teilweise zerstört wurde und heute dem Verfall preisgegeben ist. Heller kombiniert ihre eigenen geisterhaften Aufnahmen des Friedhofs mit Fotogrammen von organischen Materialien und
fragmentarischen Bildern, die sie von Glasnegativen gedruckt hat, die sie auf einem Flohmarkt entdeckt hat. Der Film selbst wird zu einer Art Fotogramm: ein physisches Objekt, auf dem das entschwundene Leben seinen Abdruck hinterlassen hat und das so gleichermaßen von Präsenz und Abwesenheit spricht.
Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis geht an Jan Soldat für BLIND DATE
Obwohl Jan Soldats BLIND DATE in fast jeder Hinsicht ein völlig anderer Film ist als Eve Hellers SINGING IN OBLIVION, geht es auch hier um die Beziehung zwischen den immateriellen Aspekten menschlicher Erfahrung und ihren physischen Manifestationen, in diesem Fall um das Begehren und den Körper. In Zusammenarbeit mit seinen Protagonisten entmystifiziert Jan Soldat den sexuellen Akt und lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was die meisten anderen Filme zu diesem Thema ausblenden: die zutiefst menschliche Mischung aus Unbeholfenheit, Verletzlichkeit, sozialem Protokoll und
zögerlicher Annäherung, die den Geschlechtsverkehr umrahmt. BLIND DATE ist Teil einer Reihe, in der Jan Soldat ein kaleidoskopisches Porträt erotischer Praktiken präsentiert. Radikal ist BLIND DATE nicht wegen seiner freimütigen Darstellung von Sex, sondern wegen seiner unbefangenen, unsentimentalen, aber einfühlsamen Neugier auf die Erfahrung zweier Individuen, die sich zur Befriedigung ihrer körperlichen Begierden zusammenfinden.
Retrospektive bis 23. November
YOSHIDA KIJŪ
Der 1933 in Fukui geborene Yoshida Yoshishige (aka Kijū) lernt das filmische Handwerk ab 1955 beim Studio Shochiku als Assistent von Kinoshita Keisuke. Mit ROKU DE NASHI, einem aufrührerischen Film über orientierungslose Jugend, gibt er 1960 sein Regiedebüt. 1963 arbeitet er bei dem Melodram AKITSU ONSEN erstmals mit Okada Mariko zusammen, die seine Ehefrau wird und Protagonistin seiner die japanischen Geschlechterverhältnisse kritisch beleuchtenden Filme. Mit ihr zusammen gründet er 1966 auch die unabhängige Produktionsfirma Gendai Eigasha und legt 1970 mit EROSU PURASU GYAKUSATSU eines der zentralen Werke der „Japanese New Wave“ vor. Stilistisch wagemutig und inhaltlich immer wieder an Tabus rührend beleuchtet Yoshida in seinen Arbeiten kritisch die Umbrüche der japanischen Gesellschaft vor allem der Sechziger Jahre. Die wunderbare Gelegenheit, dieses im Westen nur selten gezeigte Werk kennenzulernen, sollte sich keine:r entgehen lassen.
Ein Programm von Viennale und Österreichischem Filmmuseum.
Die diesjährige Retrospektive läuft noch bis 23. November im Österreichischen Filmmuseum.
Infos und Reservierung unter filmmuseum.at
VIDEOS & PODCASTS
Jetzt ist Zeit, um sich zurückzulehnen und über die vielen Eindrücke und Filme der vergangenen Tage zu reflektieren. Um das Festival nochmal Revue passieren zu lassen und in schönen Erinnerungen zu schwelgen, empfehlen wir unsere zahlreichen Videos von Publikumsgesprächen, u. a. mit Stargast Werner Herzog, sowie Podcasts mit Nina Menkes, Andrea Pallaro oder Denis Côté! Außerdem gibt es Fotogalerien mit einer Vielzahl an Gästen, Publikumsgesprächen und Events.
MEILENSTEIN ANLÄSSLICH 10 JAHRE FÖFF:
Österreichische Filmfestivals einigen sich auf gemeinsames Fair-Pay-Entlohnungsziel
Interessengemeinschaft setzt sich zum Jubiläum neue Ziele – Fokus auf Teuerungsausgleich, Nachhaltigkeit bei Festivals und die Publikumsentwicklung in Zeiten von Covid-19
Zehn Jahre nach der Gründung des Forums Österreichischer Filmfestivals (FÖFF) hat sich die Interessengemeinschaft der heimischen Festivallandschaft auf ein gemeinsames Fair-Pay-Entlohnungsziel geeinigt. „Das ist tatsächlich ein Meilenstein für die Festivals und ihre Mitarbeiter:innen“, freuen sich die beiden FÖFF-Sprecher:innen Anna Ladinig und Benjamin Gruber. „Erstmals gibt es nun eine gemeinsame Grundlage, an der sich sowohl Festivals als auch Förderinstitutionen orientieren können.“
Das ambitionierte Papier teilt Festivaljobs auf Basis der Fair-Pay-Tabelle der IG Kultur in fünf Kategorien ein und legt entsprechende Zielvorgaben für Gehälter fest. „Die Tabelle dient in einem ersten Schritt vor allem als Tool für Festivals, um auf Finanzierungslücken aufmerksam zu machen“, erläutert Gruber, „schließlich sind die Förder- und Budget-Niveaus bei Österreichs Filmfestivals weiterhin sehr unterschiedlich.“ Nichtsdestotrotz gibt die Einigung Anlass zur Hoffnung, dass ein verstärktes Bewusstsein für die geleistete Arbeit bei Festivals mittelfristig auch zu Änderungen in der Förder- und Entlohnungspraxis führt.
Als erstes Filmfestival in Österreich hat die Viennale beschlossen, ihre Mitarbeiter:innen komplett nach dem neuen Fair-Pay-Schema des FÖFF zu bezahlen – ein erster wichtiger Schritt, dem möglichst rasch weitere Schritte folgen sollen. Ziel muss es nun sein, halten die FÖFF-Sprecher:innen fest, dass die Gebietskörperschaften ihrem eigenen Anspruch entsprechend handeln und auch die weiteren FÖFF-Mitglieder ihre Mitarbeiter:innen dem neuen Schema entsprechend entlohnen können.
Im Rahmen eines Branchenempfangs bei der Viennale anlässlich des 10-Jahres-Jubiläums formulierte die Interessengemeinschaft zudem weitere Arbeitsbereiche für die kommenden Jahre. Good-Practice-Modelle für nachhaltige Festivals, Teuerungsausgleich und eine Neuauflage des 2016 erstmals veröffentlichten „Filmfestivalreports Österreich“ werden die kommenden Jahre wesentlich bestimmen. „Auch wenn die Themen inhaltlich herausfordernd und krisenbehaftet sind, freuen wir uns, diese gemeinsam mit den engagierten Festivals des Forums weiter zu bearbeiten“, zeigt sich Anna Ladinig optimistisch.
Das FÖFF war 2012 mit dem Ziel gegründet worden, die Filmfestivals stärker zu vernetzen und die unzumutbare Fördersituation zu ändern. Zu den größten Errungenschaften der ersten Dekade zählten umfangreiche Datensammlungen zu den heimischen Festivals, die umfassende Studie “Filmfestivalreport Österreich” (2016), die Einführung eines Beiratsystems im Rahmen der Fördervergabe samt Harmonisierung von Förderformularen sowie eine Erhöhung der öffentlichen Mittel um knapp 60 Prozent (seit 2012).
Einen Überblick über die FÖFF-Mitglieder sowie den vergangenen Festivalreport erhält man auf der Website film-festivals.at.
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