BILANZ UND PREISTRÄGER DER VIENNALE 2021

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BILANZ UND PREISTRÄGER DER VIENNALE 2021


Mit der Galavorführung des Films VERDENS VERSTE MENNESKE (THE WORST PERSON IN THE WORLD) von Joachim Trier geht die 59. Ausgabe der Viennale am heutigen Sonntag zu Ende.

Die Viennale 2021 konnte in dieser herausfordernden Zeit mit einer BesucherInnenzahl von 58.200 und einer Auslastung von 74% einen sehr schönen Erfolg verbuchen. Die letzten elf Kinotage haben bewiesen, dass die Freude und das Interesse des Wiener Publikums daran, ein vielfältiges Filmprogramm gemeinsam im Kino zu sehen, größer war als die Scheu vor voll besetzten Sälen. „Diese Ausgabe 2021 hat die Erwartungen übertroffen“, freut sich Viennale Direktorin Eva Sangiorgi. „Mit dem diesjährigen Programm war ich sehr zufrieden, und ich war durchaus stolz darauf. Daher war es umso schöner zu erleben, dass das Publikum große Begeisterung dafür aufbrachte und sich dies auch in den BesucherInnenzahlen niederschlug.“

Das Festival hatte jede Menge Highlights zu bieten. Darunter war natürlich die Eröffnungsgala im frisch renovierten Gartenbaukino in Anwesenheit der Regisseurin des Eröffnungsfilms L’EVÉNEMENT, Audrey Diwan, und der Hauptdarstellerin Anamaria Vartolomei. Einer schönen Idee des Vorjahres folgend wurde der Film am Eröffnungsabend in allen fünf Viennale Kinos gezeigt.

Dem ebenfalls bei der Eröffnung bereits anwesenden britischen Ausnahme-Regisseur Terence Davies wurde eine Monografie gewidmet, die vom Viennale-Publikum extrem gut angenommen wurde. Davies begeisterte nicht nur mit seinen Filmen, sondern auch mit seiner freundlichen Präsenz, den interessanten und humorvollen Q&A’s nach den Vorführungen und dem spannenden und ausführlichen Werkstättengespräch über das Drehbuch-Schreiben nach einer Vorstellung in der Urania. Dass Terence Davies plant, seinen nächsten Film in Österreich zu drehen, freute alle Beteiligten zusätzlich.

Ein Hauch von Hollywood streifte Wien und die Viennale mit der Anwesenheit von Schauspieler Matt Dillon, der gemeinsam mit der Künstlerin Shirin Neshat ihren neuen Film LAND OF DREAMS im Gartenbaukino präsentierte und natürlich für besonders großes Medieninteresse sorgte.

© Viennale/Roland Ferrigato


Darüber hinaus konnte die Viennale in diesem Jahr außergewöhnlich viele großartige Gäste begrüßen, die ihre Filme vorstellten – gleich viele wie z.B. 2019, als das Festival drei Tage länger dauerte –, darunter Mia Hansen-Løve, Andrea Arnold, Mathieu Amalric, Sean Baker, Bruno Dumont, Nadav Lapid, Maria Speth und Abel Ferrara.

Bei 140 von 250 Vorführungen im Rahmen der Viennale beantworteten unsere Filmgäste die Fragen der ModeratorInnen und des Publikums. Auch bei dieser Festivalausgabe kam der österreichische Film nicht zu kurz. Für besonderes Aufsehen sorgte die Premiere von Sebastian Meises international mehrfach ausgezeichneter Arbeit GROSSE FREIHEIT, die im Rahmen der Viennale zwei weitere Preise einheimsen konnte. Nach dem vorjährigen kompletten Verzicht auf eine Festivalzentrale wurde heuer wieder dafür gesorgt, dass es einen Treffpunkt für KinofreundInnen abseits der Kinos gab – wenn auch etwas kleiner dimensioniert: die ideal zwischen Gartenbaukino und Urania gelegene Viennale Bar lud bei streng kontrollierter 2G-Regel zu Gesprächen und DJ-Lines in Bar und Club.

Schauspiel-Star Lars Eidinger brachte die Crowd zum Tanzen, die DirektorInnen der Festivals von Berlin, Locarno, Cannes (Quinzaine des réalisateurs) und San Sebastián erwiesen der Viennale die Ehre und diskutierten über die Rolle und Zukunft von Filmfestivals. Die Viennale selbst freute sich nicht nur über begeisterte Reaktionen in in- und ausländischen Medien, sondern erweiterte in diesem Jahr auch ihre eigene Präsenz auf Social Media sowie mit spannenden Video- und Podcasts massiv. Die Retrospektive „Film as a Subversive Art – A Tribute to Amos Vogel“ in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum feierte Vogels 100. Geburtstag und lud sechs KuratorInnen aus aller Welt ein, Programme zu erstellen, die sich im Sinne Vogels der Frage stellen, was „Film“, „subversiv“ und „Kunst“ heute heißen kann.


PREISTRÄGER*INNEN DER VIENNALE 2021

WIENER FILMPREIS
Jury: Choreografin und Tänzerin Christine Gaigg, Schauspielerin Aenne Schwarz und Filmemacher Sebastian Brameshuber. Der Wiener Filmpreis, eine von der Stadt Wien gestiftete und im Rahmen der Viennale vergebene Auszeichnung, gilt einem aktuellen österreichischen Langfilm, der im vergangenen Kinojahr zur Aufführung gelangte bzw. bei der Viennale gezeigt wurde. Die Dotierung dieses Preises besteht aus einem Geldbetrag, der von Seiten der Kulturabteilung der Stadt zur Verfügung gestellt wird, einer monetären Unterstützung vom Hotel The Harmonie Vienna, sowie großzügigen Sachwerten, gestiftet von den Sponsoren BLAUTÖNE und viennaFX. Beim Wiener Filmpreis werden zwei Preise vergeben: der Preis für den besten österreichischen Film und der Spezialpreis der Jury.

Bester österreichischer Film:
GROSSE FREIHEIT, Sebastian Meise, Österreich/Deutschland 2021

Jurybegründung: Dieser bildgewaltige Film stellt die ganz großen Fragen: die nach der Freiheit und die nach der Liebe. Er scheut sich nicht vor dem großen Pathos und ist zugleich meisterlich zart im Detail. Er zeichnet Kontinuitäten und Bruchlinien sozialer Ausgrenzung und gesellschaftlicher Normierung nach, ohne sich jedoch ausschließlich in den Dienst eines politischen Anliegens zu stellen. Man meint, die Räume riechen zu können, wenn die Luft eng wird. Mit großer Fürsorge und Genauigkeit blicken wir in das Innerste der fantastisch gespielten und inszenierten Figuren, folgen ihnen in jeden Abgrund, sind aber nie verleitet, ihnen zu nahe zu treten oder uns überlegen zu fühlen – und werden sie gerade deshalb nicht mehr los.

Spezialpreis der Jury:
BEATRIX, Milena Czernovsky, Lilith Kraxner, Österreich 2021

Jurybegründung:
Diesem Film wohnt die geheimnisvolle und ursprüngliche Kraft des Kinos inne, er ist ein Wurf aus Nonchalance und radikaler Reduktion. Wir sehen Leerstellen des Alltags, instagramatische Situationen, aber so, wie die Darstellerin sich diesen Handlungen hingibt, nämlich selbstvergessen und ungeniert, würden diese Momente für Instagram gar nicht taugen. Stattdessen entstehen kinematografische Sinnlichkeit und Intimität. Die banalen Aktivitäten weisen über sich hinaus: Putzen offenbart die ihm innewohnende Ekel-Satisfaktion, Prokrastinieren und soziales Schmollen entwickeln Charme. Ökonomisch erzählt, genau kadriert – so entsteht ästhetische Widerständigkeit.

VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER*INNEN-JURY
Jury: Jeremy Braunsberg, Robert Frenay, Marija Milosavljevic. Der Preis der Standard-LeserInnen-Jury geht an einen Film, der noch keinen Verleih in Österreich hat und dem ein Kinostart in Österreich besonders empfohlen wird. Findet der Film einen Verleih, ist der Kinostart mit kostenlosem Anzeigenraum in der Tageszeitung „Der Standard“ verbunden.

Der VIENNALE-PREIS DER STANDARD LESER*INNEN-JURY geht an:
KELTI (Celts), Milica Tomović, Serbien 2021

Jurybegründung: Die Geburtstagsparty eines 8-Jährigen wird zu einer Bühne, auf der sich mehrere sich überschneidende Dramen abspielen. In einer Ecke kritisieren die Kinder gegenseitig ihre Ninja-Turtles-Kostüme, in einer anderen geben sich die Erwachsenen betrunkenen Diskussionen und amourösen Abenteuern hin. Im Laufe einer einzigen Nacht erkundet diese ambitionierte, an Altman erinnernde Ensemble-Erzählung Fragen der Identität, Intimität, Sexualität und Politik. Die Atmosphäre im Belgrad des Jahres 1993 mag düster erscheinen, doch im Laufe des Films hebt die Regisseurin Momente der Freude, Heiterkeit und Zärtlichkeit hervor, die durchscheinen. Die Darbietungen wirken lebendig und improvisiert, als würden wir zu einer Gruppe von Freunden stoßen – inmitten von Gesprächen und Auseinandersetzungen, die bereits vor unserer Ankunft begonnen haben und auch nach unserer Abreise weitergehen werden.

Die Filmemacherin führt mit einem aufrichtigen und ernsthaften Blick durch die Welt der Kinder und schildert deren Konflikte und Dilemmas mit ebenso viel Ernsthaftigkeit und Spannung wie die der Erwachsenen. Die Menschlichkeit des Films, das Eingehen auf die Schwächen der Figuren und das Einfühlungsvermögen in ihre Sehnsüchte haben uns berührt. Wir waren beeindruckt von der Beherrschung des Raums, der Klarheit des Blicks und der Fähigkeit der Regisseurin, eine große Anzahl von Charakteren so darzustellen, dass sie uns sofort vertraut sind. Die Jury freut sich, diesen Preis an Milica Tomović für ihr unglaubliches Spielfilmdebüt KELTI zu vergeben.

FIPRESCI PREIS (PREIS DER INTERNATIONALEN FILMKRITIK)
Jury: Michael Phillips (USA), Veronika Zakonjsek (Slowenien), Marietta Steinhart (Österreich).
Zur Auswahl steht eine Reihe von Erst- und Zweitfilmen von Regisseur*innen.

Der FIPRESCI-Preis geht an:
RE GRANCHIO, Alessio Rigo de Righi, Matteo Zoppis, Italien/Argentinien/Frankreich 2021

Jurybegründung:
In ihrem visuell fantasievollen Sprung vom dokumentarischen zum erzählerischen Filmemachen folgen Alessio Rigo de Righi und Matteo Zoppis ihrem verstoßenen Protagonisten von dessen Tragödie im italienischen Tuscia des 19. Jahrhunderts bis zu seiner Neuerfindung in der argentinischen Provinz Feuerland. Mit wissendem Blick, rauer Schönheit und authentischer Sprache bekräftigen die beiden Filmemacher die Kraft und Poesie der Folklore.

ERSTE BANK MehrWERT-FILMPREIS
Jury: Silvia Bohrn (Kulturmanagerin), Boris Manner (Philosoph, Kurator), Andreas Ungerböck (Herausgeber).
Zum 11. Mal wird heuer der von der Erste Bank initiierte und gestiftete MehrWERT-Filmpreis vergeben.
Der Erste Bank MehrWERT-Filmpreis wird unter den österreichischen Filmproduktionen, die von der Viennale kuratiert sind, über eine unabhängige Jury vergeben. Der MehrWERT-Filmpreis ermöglicht einen Aufenthalt in New York City einschließlich einer Werkpräsentation im Anthology Film Archives.

Derr Erste Bank MehrWERT-Filmpreis 2021 geht an:
GROSSE FREIHEIT, Sebastian Meise, Österreich/Deutschland 2021

Jurybegründung:
Es ist ein Film, der furchtlos ist, der politisch ist, ohne auf politische Korrektheit zu schielen, ein Film, der nicht psychologisiert und einen langen, spannenden erzählerischen Bogen hat. Freiheitseinschränkungen mit den einhergehenden Maßnahmen und Vollzug, die gesetzlich legitimiert in der jeweiligen Zeit als normal gelten, bilden den Rahmen für diese groß erzählten Liebesgeschichten. Grandiose Schauspieler, die in einem klaustrophobischen Setting die Grenzen ihrer Kunst ausloten, eine hervorragende Lichtsetzung und Kameraarbeit machen diesen Film zu einem außergewöhnlichen Erlebnis.

viennale.at

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