Wenn sie flattern, die Schmetterlinge, fließen die ganz großen Gefühle ungesteuert ineinander. Doch es dauert nicht lang, bis sich zur kopflosen Leidenschaft, eine gewisse Vorsicht gesellt. In Kayla Shyx neuer Single „Schmetterlinge“ deutet sie diese Ambivalenz an, die in der Anfangsphase liegt. Fokus aber ist das Verliebtsein selbst, das Ungestüme, das nie enden soll. Irgendwo, weit weg, schwirrt irgendwas, das der Leichtigkeit einen Riegel vorsetzen könnte und so hört man sich im Hoffen auf ein „Für immer“ sagen: Was Ernstes will ich nicht. Einfach weiter fliegen, weiter leicht sein miteinander. Genauso fühlt sich die Single „Schmetterlinge“ an, die bei Jive Germany erscheint. Gitarren, die sanft treiben, und ihren Rhythmus nicht verändern, das intensive Kitzeln der Schmetterlinge um keinen Preis unterbrechen wollen.
Und damit singt Kayla Shyx gleich in der ersten Zeile, „Willst du matching tattoos“. Nur ein kleines bisschen Handbremse hier und da, um nicht zu verlieren, was man gerade so gerne fühlt im Hals-über-Kopf-Modus. Weil doch beide wirklich nur im Moment sind und nicht an allem ändern wollen, singt Kayla Shyx richtungsweisend: „Glaub du fühlst es auch, aber machen kein Ding draus“. Der Song trifft in eine Gleichzeitigkeit dieser jungfräulichen Begegnung.
Ein Mix aus Überstürzung und angedeutetem Rückzug wegen der Sorge vorab, die Schmetterlinge schneller, als sie gekommen sind, wieder wegfliegen zu sehen.
Mit Kayla Shyx taucht man ein, wo triefende Emotionen einen nicht mehr loslassen. Endlich 18, endlich Sommer, aber nichts ist mehr leicht. Alles in ihr scheint dunkel. Auf ihrem Albumdebüt „sad girl summer“, das am 09. Mai 2025 bei Jive Germany erscheint, erzählt Kayla Shyx schonungslos von einer Talfahrt, von Veränderung und Lichtung. Berührend zeichnet Kaylas klare Poesie Schlaglichter aus ihrer Biografie der vergangenen vier Jahre nach, die sich an Liebe, Begegnungen und Erwachsenwerden entlanghangeln.
Und wie immer beginnt alles mit einer ersten Liebe. Oder mit ihrem nahenden Ende. Die großen Gefühle und Ahnungslosigkeit. Dann ein Sad Girl Summer. Der Turn in Kaylas Wahrnehmung: Dominosteine kippen, alles zeigt sich wie unter einem Brennglas. Panikattacken, Therapie. Was war, quillt aus allen Ritzen, wiegt schwer wie Blei. Das alte Ich ist weg. Hallo Fremde. „Und ich frag mich, wo bin ich hin / Bin nicht mehr so, wie ich mich will“, singt sie treffend im Opener „sad girl summer“.
Die Vergangenheit zeichnet Bilder in ihr. Zu ihr gehört auch Kaylas Vater. Als sie 15 ist, brichtsie den Kontakt ab. Sie begreift die giftige Dynamik, seine Gewalt. In „Keine Zeit / Selbstmitleid“ singt sie über seine Abwesenheit, seine unausweichliche Prägung, die Täuschung aus Sehnsucht. „Ich suchte mich / In deiner Art und Weise / Finde nichts / Ist bloß Fassade, die bricht“. Im Song entzieht Kayla ihm aber auch gleich im ersten Verse die Macht. „Du bist nur ein Läufer“,singt sie, denn er ist nicht allmächtig, auch wenn das Abwesende oft so laut ist, weiß sie heute.
Kaylas Stimmfarbe, konsequent melancholisch, auch die Textzeilen, so pudrig, so düster. Ihr an- und abschwellender Gesang windet sich hinein in die Ohrmuscheln, legt sich über süßlich- bestechende Melodien, die wabern und auch morbide Züge haben, manchmal fast Puls arm scheinen. Aber Kaylas Worte, die Sounds, sie wärmen auch. Weil Kayla aufmacht. Weil sie keinen Raum für Mauern lässt. Eine fantastisch-romantische Klangwelt, die Kayla über anderthalb Jahre hinweg im Team entwickelt hat. In Writing Camps, produziert von Dokii, Truva, Flo Hofer, Evan Niedermeier. Dream-Pop, Indie, Kayla. Ihre Musik ist zart, weich und brüchig. Und genau das geht ja so nah: Menschen, die Brüche aufzeigen, die sich zeigen. Kayla, Fee und Anti-Heldin.
Die Musikerin kratzt und kratzt an Schichten, will verstehen, weil im Sad Girl Summer alles durcheinander gerät. Sie lernt viel, über sich und Strukturen. Schließt vom Vater auch auf die eigene Beziehung. In „Aber ist das Liebe??“ erzählt sie vom ersten Freund: „Warstunberechenbar / Hast mich erst angeschrien, dann umarmt“. Solche Erkenntnisse tun weh. Auch dass die vermeintliche Leichtigkeit ihrer Jugend einfach verschwunden ist.
Die Beziehung geht vorbei und mit neuer Wahrheit fällt eine neue Liebe auf fruchtbaren Boden. Wider die emotionale Verkümmerung. Fast etwas ungläubig singt sie verliebt, „Ich hab ‘ja auch Angst / Aber mit uns ist es anders“ in „Schmetterlinge“. Und in „Prom Night“: „Vor dir war ich so fucked up / Bin jetzt so in love“. Plötzlich also Raum. Für echte Gefühle und Selbstreflexion. Raum für Zweifel, Leerstellen und der Beweis, dass Liebe eben nicht wehtun muss. Es ist, als würde man Kayla Shyx auf „sad girl summer“ dabei zuhören, wie sie sich selbst durchdringt, Schritt für Schritt zu ihrer besten Version werden könnte. Lieben und sich selbst darin nicht verlieren.
Doch die Perfektion, das Lineare, das gibt es nicht, nie. Ihr Geist bewegt sich, schlägt weiter Wellen. Ist mal unsicher wie in „Allein auf der Party“: „Komm ‘klar, sonst wirst du ihn verlieren/ Mein Kopf wird uns noch ruinieren“. Und in „Wieder…“ singt sie von bekannter Schwere und wiederkehrenden suizidalen Gedanken: „Doch, ich merk, jetzt mach ich’s wieder / Fühl mich taub und wieder, komm vielleicht nicht wieder“. Zwei Schritte nach vorne, einer zurück. Und immer neue Fragezeichen.
Von Song zu Song rückt man ihr näher, vielleicht kommt man ihr so nah wie nie. Und tatsächlich: Bei Writing Sessions blättert die Musikerin durch ihr Tagebuch. Dinge, die sie vorher nie laut ausgesprochen hat, finden nun Schutz in der Musik. Schreiben als Ventil. Songs, in denen sie zurückschaut, auf viele erste Male, auf Momente, die sie geformt haben. Muster und Krisen, Menschen. Grenzen, die sie überschreitet und hat überschreiten lassen. Schmerz, Scham, Unsicherheit. „Mein Kopf wird uns noch ruinieren“. Da ist dieser temporäreVerlust vom Selbst, die verzweifelte Suche nach den Teilstücken. Aber auch eine Kayla, die immer wieder Klarheiten zeichnet, Licht gibt, selbstbestimmt Anfänge und Enden setzt.
Die Erkenntnis, dass ein Leben nicht immer auf leichten Füßen spaziert, auch wenn Kayla Shyx die Unbeschwertheit so vermisst, vielleicht ist das eine reife. Eine, die an anderer Stelle Triebfeder ist für einen mehrdimensionalen Blick. Auf eine Biografie, die eigene, die sich aus all den heterogenen Scherben zu einem Ganzen zusammensetzt und sich auf „sad girl summer“ in ihrer Essenz entlädt. Man will ihr die Hände reichen, Kayla immer weiter zuhören. Weil man weiß, wie sich das alles anfühlt. Ihre Worte füllen Lücken und vielleicht lassen ihre Songs einen manchmal ein bisschen weniger allein fühlen.
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