Vieles scheint auf den ersten Blick zu einfach, banal oder selbstverständlich, um als besonders wahrgenommen zu werden. Es ist seit jeher Aufgabe der KünstlerInnen, uns die Schönheit des Alltäglichen durch die Lupe ihrer Kunst sichtbar zu machen.
Ein solches Stück Musik ist INA REGEN mit ihrer neuen Single FENSTER gelungen, ein für die Liedermacherin wichtiger Titel aus ihrem im März erscheinenden Album „ROT“. „Man könnte fast sagen, ‚Fenster‘ ist in mehrerlei Hinsicht das Komplementärstück zum dramatisch arrangierten und dringlich interpretierten Song ‚Rot‘, der dem Album auch seinen Namen gegeben hat“ meint sie selbst dazu. Während beide Stücke den für INA REGEN kleinsten gemeinsamen Nenner des Mensch-Seins zum Kern haben, wählt FENSTER einen versöhnlicheren, sanfteren und hoffnungsfroheren Ton als das orchestrale, nahezu explosive Gegenstück. Es sind der fast meditative Charakter der Musik und die mit charismatischer Stimme interpretierte, schnörkellose Erzählung, die diesen Eindruck verfestigen.
„Den Grundgedanken trage ich schon seit meiner ersten New York Reise 2008 mit mir herum. Dort, inmitten von Wolkenkratzern, wurde mir klar, dass überall auf der Welt Menschen ein ganz normales Leben leben.“ Einige Jahre, Reisen und Tourneen später hat dieses Staunen über fremde Realitäten nichts von seinem Zauber eingebüßt.
Seit dem Frühling 2020 aber ist eine neue Facette hinzugekommen. Als nämlich die Liedermacherin während des 1. Lockdowns jeden Abend an ihrem eigenen Fenster für die Menschen in systemrelevanten Berufen ihren Beifall erhoben und kurzerhand ihre Fans via Social Media dazu eingeladen hat, mitzumachen. „Ich habe unzählige Nachrichten von Menschen bekommen, die mir heute noch für diese Zeit danken, weil ich durch diesen spontanen Impuls ihren chaotischen Tagen einen Fixpunkt geben konnte, der uns allen in dieser überfordernden Zeit Halt und Hoffnung war. Nicht zuletzt dadurch wurde mir noch deutlicher bewusst, wie eng unser Leben mit Menschen verbunden ist, die wir persönlich vielleicht gar nicht kennen.“
Dass sie dieser Grundidee gerne ein Lied widmen möchte, das hat sie auf einer Autofahrt mit ihrem Produzenten von Wien nach Berlin erkannt. „Es war ein schöner Sommertag, ein minimales Aufatmen inmitten der Corona-Pandemie war zu spüren, und wir sind durch viele Dörfer irgendwo in Tschechien gefahren, ehe Prag in seiner Pracht und am Stadtrand mit vielen Wohnhausanlagen vor uns aufgetaucht ist. Und da kamen wir in einem schönen und tiefen Gespräch auch wieder bei diesem Gedanken aus New York vorbei, dass hinter jedem dieser Fenster eine eigene Welt aus Träumen, Lachen und Weinen existiert.“
Das Lied dazu schrieb sich dann fast von selbst.
Und das passiert leider ohnehin viel zu selten.
X